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Influencer Marketing – taugt’s auch für B2B?

Geschrieben von Anna Tipping | 30.08.2019 16:02:00

Influencer Marketing ist heute ein bedeutender Bestandteil im Marketing-Mix. Hauptsächlich für B2C-Unternehmen in der Konsumentenansprache. Aber können B2B-Unternehmen, zum Beispiel ein Maschinen- und Anlagenbauer, die Vorteile der Marketingstrategie ebenfalls nutzen?

Die meisten Menschen assoziieren mit Influencer die „Stars“ der Social-Media-Welt. In zahlreichen Fotos und Videos posieren sie bis zur Haarspitze durchgestylt in perfekt eingerichteten Wohnzimmern oder inmitten einer paradiesischen Insel und „lassen die Seele baumeln“. Was hier sehr spontan und aus der realen Welt gegriffen erscheint, basiert auf einer wirtschaftlichen Intention: Von Kleidung, Accessoires, Haar- und Kosmetikprodukten über Wohnzimmereinrichtung, die Reise ins Paradies bis hin zum Influencer selbst kann und soll alles käuflich erworben werden. 

Der Influencer dient dabei als Schnittstelle und Botschafter zwischen Marke und Konsument. Denn diese authentisch erscheinenden Fotos und Videos sind Teil einer durchdachten Influencer-Marketing-Kampagne.

Influencer Marketing hat sich in den letzten Jahren rasend schnell zu einem bedeutenden Bestandteil des Marketing-Mix‘ entwickelt. 2017 erzielten deutschsprachige Influencer laut der Goldmedia Beratungs- und Forschungsgruppe Nettoerlöse von 560 Millionen Euro – bis 2020 könnte der Markt schon an der Milliardengrenze kratzen. Obwohl Influencer Marketing oft dem B2C-Umfeld zugeschrieben wird, ist es immer öfter auch unter B2B-Marketern im Gespräch.

Crashkurs Influencer Marketing

1. Was ist das?

Ein Unternehmen beauftragt gezielt eine einflussreiche Person (Influencer), die aufgrund ihres Netzwerks, ihrer Persönlichkeit, einer speziellen Themenkompetenz und kommunikativer Aktivitäten eine hohe Glaubwürdigkeit innerhalb einer Community genießt. Ihre Aufgabe ist es, ein passendes Image aufzubauen oder zu pflegen sowie eine gewünschte Zielgruppe auf das Unternehmen aufmerksam zu machen, mittel- bis langfristig zum Kauf von Produkten oder Dienstleistungen zu bewegen und ein nachhaltiges Markenbewusstsein zu etablieren. Das gelingt, indem der Influencer das Unternehmen erwähnt, über Erfahrungen spricht und ausgewählte Produkte öffentlich zur Schau stellt. Das kann sowohl online auf Blogs, in Foren und Social Media auftreten. Aber auch offline sind Influencer – beispielsweise auf beruflichen Events als Keynote Speaker und persönliche Gesprächspartner – zu finden.

2. Woher rührt der Erfolg?

Schon in der 1944 veröffentlichten Monografie The People´s Choice schrieben der Soziologe Paul Felix Lazarsfeld und seine Kollegen, dass der Einfluss auf Menschen nicht primär von den Massenmedien ausgeht, sondern auch stark von so genannten Opinion Leaders. Diese Erkenntnis gilt heute mehr denn je. Eine vom Bundesverband Digitale Wirtschaft in Auftrag gegebene Studie ergab, dass Produktvorstellungen von Influencern und Experten unter die drei glaubwürdigsten Quellen für Produktempfehlungen fallen – nach Empfehlungen von Freunden und Kundenbewertungen.

3. Moment, ist das nicht Schleichwerbung?

Ja, wenn es sich um eine absichtlich platzierte Zurschaustellung, Nennung oder Anpreisung eines Produktes oder Firmennamens zu Werbezwecken handelt, die mangels Kennzeichnung irreführen kann. Darum ist eine Kennzeichnung bei ausgehandelten Werbe-Deals mit Vergütung unverzichtbar. Aber: Produkte und Marken können auch unbezahlt erwähnt und zur Schau gestellt werden. Was dann? Aus diesem Grunde gab es zuletzt Ärger zwischen Influencern auf Instagram und dem Verband sozialer Wettbewerb e. V. (VSW), der sich zur Aufgabe gemacht hat, unlauteren Wettbewerb im Interesse der Allgemeinheit zu bekämpfen.

Das Landgericht Berlin entschied, die Klage des VSW auf Unterlassung per Einstweiliger Verfügung durchzusetzen. Die Bloggerin Vreni Frost muss damit Marken und Personen als Werbung kennzeichnen, auch wenn sie für die Erwähnung keine Vergütung erhalten hat. Ausschlaggebend waren laut Gerichtsurteil ihre über 50.000 Abonnenten. Die hohe Anzahl ließ vermuten, dass die Bloggerin ihren Instagram-Account nicht privat, sondern beruflich betreibt und damit eine Erwähnung als Werbung erachtet werden muss. Nachdem Vreni Frost Berufung einlegte, wurde die Einstweilige Verfügung gegen eines der Postings fallengelassen. Auch im Fall Cathy Hummels entschied das Münchener Landgericht im Sinne von Hummels: Laut der Richterin sei nicht gekennzeichnetes Influencer Marketing zwar „überflüssig“, aber nicht verboten.

So ganz scheint die Rechtslage noch nicht geklärt zu sein. Wer sich absichern will, sollte also lieber eine Kennzeichnung zu viel als zu wenig setzen. Mehr Orientierung soll nun ein Leitfaden schaffen, der von diversen Verbänden aus Public Relations und der Werbebranche gemeinsam entwickelt wurde. Alle Verbandsmitglieder verpflichten sich fortan diesen Richtlinien, in der Hoffnung, sich innerhalb der Branche selbst regulieren zu können. Eine hundertprozentige rechtliche Sicherheit gibt es allerdings auch hiermit nicht.

Wirkt der Zauber auch im B2B-Umfeld?

Influencer spielen bei der B2B-Kaufentscheidung eine wichtige Rolle. Das ergab die Untersuchung B2B Influencer Kommunikation, die von der Kommunikationsagentur Fink & Fuchs in Zusammenarbeit mit der Hochschule Darmstadt 2017 veröffentlicht wurde. Ziel der Erhebung war es, herauszufinden, wie Unternehmen Influencer in der B2B-Kommunikation einsetzen – im Unterschied zum B2C-Sektor.

Zielsetzung und Nutzen – was hat B2B davon?

Anders als im B2C-Influencer-Marketing steht die Motivation zum Kauf eines einzelnen Produktes nicht im Vordergrund. Entscheidend ist vielmehr, eine nachhaltige Markenwahrnehmung beim Kunden zu etablieren – Stichwort Branding. Das findet schon zu Beginn der Customer Journey statt.

Hier nähern sich B2C und B2B wieder an, denn sowohl im B2C- als auch im B2B-Umfeld ist in erster Linie das Vertrauen in die Marke entscheidend. Der Influencer sorgt für dieses Vertrauen. Gemeinsam sollen Unternehmen und Influencer die Marke stärken, ihre Wahrnehmung erhöhen sowie an ihrem Image feilen.

Emotionen vs. Rationalität – Basis der Kaufentscheidung

Die Kaufentscheidung eines Konsumenten basiert oft auf Emotionen. Um auf das Beispiel mit der paradiesischen Insel zurückzukommen: Der User taucht in einen Tagtraum ein, spürt regelrecht den Sand zwischen den Zehen, hört das Rauschen des Meeres, ein warmes Gefühl von Freiheit und Fernweh macht sich breit … kurz darauf ist der Flug gebucht. Im B2B-Geschäft sind Emotionen eher zweitrangig. Selten ist ein Produktionsleiter zufällig über eine gut inszenierte Verpackungsanlage gestolpert und dachte dabei, „die muss ich haben.“ Maschinen und Anlagen sind Investitionsgüter, die einen Return on Investment bringen müssen. Die Entscheidung für eine Anschaffung wurde längst getroffen, wenn sich der Einkauf im Markt umschaut und Angebote einholt. Dann sind harte Fakten entscheidend: Preis, Leistung, Qualität, Lieferfähigkeit etc. Produkte im B2B-Geschäft sind komplex und erklärungsbedürftig. Aufklärende Fakten sollten also bei der Kommunikation im Fokus stehen. Fazit: Rationalität ist beim Kauf entscheidend, Emotion weniger.

Phantastische B2B-Influencer…

Die Auswahl eines geeigneten Influencers ist laut den Ergebnissen der Unternehmensbefragung B2B Influencer Kommunikation eine der größten Hürden. Im Best Case kann ein Influencer die Glaubwürdigkeit des Unternehmens stark positiv beeinflussen. Im Worst Case kann er oder sie aber auch genau das Gegenteil bewirken. Die Auswahl sollte wohl bedacht sein. Im B2C-Umfeld sind häufig Prominente, YouTuber und Persönlichkeiten mit hoher Reichweite gefragt, frei nach dem Motto: Mehr ist mehr. Die breite Masse ist im B2B-Segment gar nicht das Ziel, sondern die Community rund um das Kerngeschäft des Unternehmens. Hier sind so genannte Micro-Influencer gefragt, die aus der jeweiligen Nische kommen und aufgrund ihrer Glaubwürdigkeit und Fachexpertise einen guten Ruf in der Community genießen. YouTuber und Prominente sind da eher selten, wenn auch nicht ausgeschlossen (Beispiel Kuka*). Weitaus häufiger werden Kunden, Business-Partner oder eigene Mitarbeiter als Influencer eingesetzt. Sie alle haben Berührungspunkte mit dem Produkt oder der Marke und können aus ihrer Perspektive über Erfahrungen sprechen. Aber auch etablierte Journalisten, Blogger und Marktexperten gelten als wertvolle Meinungsmacher, wenn sie in der Community einen hohen Stellenwert haben. Streng genommen nichts Neues: Früher hätte man in diesem Zusammenhang von Multiplikatoren gesprochen. Der Unterschied zu damals ist, dass die B2B-Influencer Teil einer fundierten Marketing-Strategie sind und deswegen für B2B-Unternehmen immer wichtiger werden.

…und wo sie zu finden sind – Kanäle der B2B-Influencer

Influencer müssen nicht zwingend auf digitalen Kanälen unterwegs sein. Besonders im B2B-Umfeld sind andere Kanäle und Maßnahmen wichtiger, als man zunächst denkt. In der Unternehmensbefragung B2B Influencer Kommunikation wurden die Teilnehmer gebeten, die Relevanz verschiedener Influencer-Kanäle zu bewerten. Demnach ist das Gespräch der wichtigste Kanal für B2B-Influencer-Marketing. Zum Beispiel in Form einer Unterhaltung, von Keynotes, Podiumsdiskussionen und Interviews auf Fachmessen oder Events. Auch als Dozent eines Workshops, Seminars oder mit einem Gastvortrag sprechen Influencer zu einem Fachpublikum, geben Anregungen, machen Produkte und Dienstleistungen zum Gesprächsgegenstand und tragen so zur Meinungsbildung bei.

Influencer Marketing taugt auch für B2B!

Natürlich sind B2B-Influencer auch in digitalen Medien unterwegs. Soziale Medien sind dem Relevanz-Ranking nach auf Platz zwei – gefolgt von Magazinen und Blogs auf Platz drei und vier.

Welche Kanäle die größte Wirkung haben, hängt stark von der Zielgruppe ab. Für einige mag das Xing oder LinkedIn sein, für andere kommt möglicherweise auch YouTube (belegt im Ranking Platz fünf) in Frage. Unternehmen kommen nicht drum herum, vorab herauszufinden, wo sich ihre Zielgruppe aufhält. Darauf basierend können Maßnahmen und Content entwickelt werden. Wenn Maschinen- und Anlagenbauer oder andere B2B-Unternehmen etwas kreativ sind, ihr Netzwerk pflegen und ein paar Regeln beachten, können sie Influencer Marketing zu einem wichtigen Instrument machen.

*Beispiele für B2B-Influencer-Marketing

Der Roboter- und Anlagenbauer Kuka hat die eigene Zielgruppe dort gefunden, wo sie zunächst nicht erwartet wurde. Nämlich unter den Abonnenten eines YouTube-Kanals, dessen Betreiberin Simone Giertz improvisierte Roboter baut, die eines gemeinsam haben: Sie funktionieren nicht. Also beschließt Kuka, der frischgebackenen Influencerin einen ihrer Industrieroboterarme auszuleihen, ein gemeinsames Video zu produzieren und jeweils auf ihren Kanälen zu veröffentlichen.

Das Familienunternehmen Conrad Electronic ist einer der führenden Anbieter für Technik. Online haben Privatkunden die Wahl zwischen 750.000 Artikel, Firmenkunden können zwischen 1,4 Millionen unterschiedlichen Artikeln wählen. Conrad hat sich ein Kollektiv aus YouTubern (Techtastisch, Technikfaultier, Kondensatorschaden und OwnGalaxy) zusammengestellt, die regelmäßig das Format „TechnikHelden“ mit markenrelevanten Technikcontent bespielen. Hier ein gelungenes Beispiel von Simon Bäumer alias Kondensatorschaden.

Die DENIOS AG ist auf die Herstellung und den Vertrieb von Produkten zum betrieblichen Umweltschutz spezialisiert – Gefahrstofflagerungs-, Luft- und Thermotechnik sowie Arbeitssicherheit. Im Rahmen des MMINT-Projekts (Mädchen, Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) am Immanuel Kant Gymnasium in Bad Oeynhausen, lud Veranstaltungsmanager und Teilzeit-Influencer Tim Frischholz die Projektgruppe in die Produktionshalle und zu einem Experimentalvortrag ein. Als potenzielle Kunden kann man die Schülergruppe wohl kaum bezeichnen. Aber durchaus als potenzielle neue Mitarbeiter. Darüber hinaus können Unternehmen über Projekte dieser Art ihr Image regional und landesweit stärken.

In der Kampagne von Time Warner Cable Business Class stehen Video-Testimonials im Fokus. Kunden berichten darin, wie zufrieden sie mit dem Service von Time Warner sind und wie ihr Unternehmenserfolg bereichert wurde. Am Ende der Videos ruft ein Call-to-Action zum Download eines E-Books für weitere Informationen auf.

SAP nutzte die eigene Sapphire Konferenz 2016, um mit Branchenexperten während eines Facebook-Livestreams zu sprechen. Die Inhalte konnten von SAP und von den Influencern sowohl über soziale Medien geteilt als auch anschließend für Blogposts genutzt werden. So profitieren beide Seiten.