Traegerrakete

Content: Der Aufmerksamkeitskatalysator

Geschrieben von Michael Schwengers | 18.10.2019 15:50:00

Content bringt Unternehmen mit Menschen zusammen, die irgendwann einmal Kunden werden sollen. Damit Inhalte das leisten, müssen sie Aufmerksamkeit generieren und Reaktionen auslösen. Und das wiederum setzt voraus, dass Content einen Wert für die Adressaten hat. Ein Blick auf den Journalismus ist hier hilfreich.

„Content is King“ – so überschrieb Microsoft-Gründer Bill Gates einen Essay, in dem er seine Einschätzung zum Zusammenhang von Inhalten und Internet schilderte: „Content is where I expect much of the real money will be made on the Internet, just as it was in broadcasting.“ Das war 1996.

Gut zehn Jahre später wurde „Content is King“ zu einer anstrengend häufig geäußerten Parole im Marketing – vor allem im Online Marketing und im sich gerade etablierenden Content Marketing. Den Slogan hört man mittlerweile seltener, die Idee ist geblieben: Inhalte sind der entscheidende Mittler zwischen Unternehmen und Menschen und tragen erheblich dazu bei, dass Menschen früher oder später die Produkte und Dienstleistungen der Unternehmen kaufen und zu Kunden werden.

Content or not, here I come, you can’t hide

Die Frage ist nur, was Content eigentlich ist und was nicht: Der Blog-Artikel bestimmt, das Kundenmagazin ebenso? Der Spot im Fernsehen und die Anzeige in einer Zeitschrift sind es aber nicht? Aber was sind sie dann? Aus meiner Sicht ist eine solche Differenzierung entlang der Formate nicht zielführend. Denn den verschiedenen Formaten werden dabei implizit inhaltliche und qualitative Eigenschaften zugewiesen, die sie nicht per se erfüllen. Einzelne Formate können sogar sehr unterschiedlich gestaltet sein, E-Mailings sind dafür das beste Beispiel: Von dubioser Werbung für Pharmazeutika über seriöse Angebote von IT-Infrastruktur bis zu neutralen und nützlichen Fachinformationen zum Marketing findet sich bei mir alles im Postfach. Verstecken kann ich mich davor trotz Spamfilter kaum.

Vielleicht muss man letztlich alles als Content bezeichnen, was Unternehmen erstellen, um damit die potenziellen Kunden anzusprechen. Interessant – und vor allem für die Praxis relevant – ist dann, wie sich gute von schlechten Inhalten unterscheiden. Ein erster Vorschlag dazu: Gute Inhalte motivieren den Adressaten, sich damit zu befassen – sie generieren Aufmerksamkeit. Und gute Inhalte lösen beim Adressaten eine Reaktion aus. Vielleicht entdeckt er einen neues Feld, mit dem er sich näher beschäftigen will, vielleicht schaffen es die angebotenen Produkte und Dienstleistungen in sein Relevant Set, vielleicht entscheidet er sich endgültig für den Kauf – und vielleicht sammelt der Absender einfach nur Sympathiepunkte.

Best Practice Journalismus: Den Adressaten gewinnen

Um guten Content zu erstellen, genügt diese Einsicht allerdings nicht. Erst muss klar sein, wie Inhalte gestaltet sein müssen, um das zu leisten. Deshalb ein zweiter Vorschlag: Guter Content hat für den Adressaten erstens einen Wissens- und Orientierungswert, zweitens einen Gebrauchswert sowie drittens einen Unterhaltungs- und Gesprächswert – gerne auch alles zusammen. Abgeschaut ist die Beschreibung bei den Journalisten Dietz Schwiesau und Josef Ohler. Für sie ist neben dem Neuigkeitswert der Informationswert – der sich wiederum aus den drei genannten Kategorien zusammensetzt –, entscheidend für den Wert einer Nachricht und damit für deren Auswahl.

Da die Auseinandersetzung mit der Qualität von Inhalten im Journalismus eine lange Tradition hat, lohnt ein etwas genauerer Blick auf die Nachrichtenwerttheorien. Die älteste stammt von 1922 und wurde vom amerikanischen Journalisten Walter Lippmann formuliert. 1934 definierte Carl Warren – ebenfalls Journalist – seine zehn Faktoren: Neuigkeit, Nähe, Tragweite, Prominenz, Dramatik, Kuriosität, Konflikt, Sex, Gefühle und Fortschritt. Natürlich: Content für die Ansprache von potenziellen Kunden ist etwas anderes als die journalistische Berichterstattung. In beiden Fällen gilt aber: Der Adressat muss gewonnen werden – und der verschenkt seine Aufmerksamkeit immer nach dem gleichen Muster.

Wissen, was von Wert ist

Welches Muster das im Einzelfall ist, können Unternehmen häufig detaillierter beantworten als Journalisten. Oder besser: Sie hätten die Chance dazu. Voraussetzung ist nur, dass sie ihre Kunden in Buyer Personas gliedern und den Kaufprozess genau anschauen. Denn so lässt sich ziemlich exakt sagen, welcher Content wann für die Adressaten einen hohen Wert hat. Ein Beispiel: Ein Unternehmen, das HR-Software entwickelt, definiert sinnvoller Weise die Leiterin der Personalabteilung als eine Buyer Persona. Im Persona-Steckbrief sind unter anderem die Business-Ziele und die Herausforderungen definiert. Ein Ziel ist möglicherweise, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter zufrieden sind und die Fluktuation gering bleibt. Eine Herausforderung ist der Umgang mit sich kontinuierlich wandelnden rechtlichen Vorgaben.

Der Einstieg in eine Customer Journey könnte für die Leiterin der Personalabteilung ein E-Book sein, das über neue Erkenntnisse zur Work-Life-Balance Auskunft gibt. Befindet sie sich schon in der Mitte des Kaufprozesses, ist ein Leitfaden zur gezielten Auswahl einer HR-Software ein passender Inhalt. Und nähert sich die HR-Verantwortliche dem Ende des Sales Funnels und steht kurz vor der Kaufentscheidung, ist beispielsweise ein Webinar genau richtig, in dem die verschiedenen Features der eigenen HR-Software vorgestellt werden – mit Schwerpunkt auf dem Management von unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen und Sabbaticals.

Content recherchieren, einordnen, aufbereiten

Content-Ideen für das Ende und die Mitte des Kaufprozesses zu finden und dann die Inhalte zu erstellen, fällt den Unternehmen meistens vergleichsweise leicht. Kein Wunder, denn sie bewegen sich nah an ihrem Angebot und damit auf gewohntem Terrain. Mit dieser Sicherheit ist aber auch eine Gefahr verbunden: Unternehmen behalten häufig ihre Perspektive bei, statt sich in die Situation der adressierten Persona hineinzuversetzen. Der Anbieter der HR-Software stellt dann im Webinar die vielen, vielen Features seiner Lösung vor. Er vergisst aber darauf einzugehen, was die Anwender davon haben.

Eine echte Herausforderung ist für viele Unternehmen der Content für den Start der Customer Journey – weil hier Inhalte gefunden und aufbereitet werden müssen, die nicht unmittelbar etwas mit dem eigenen Business zu tun haben. Um das zu leisten, muss mehr oder weniger journalistisch gearbeitet werden: recherchieren, einordnen und aufbereiten. Und das alles unter einer Bedingung: Die ausgewählten Inhalte müssen wertvoll für den Adressaten sein. Sie müssen aber auch in einem nachvollziehbaren Zusammenhang mit dem Unternehmen stehen. Wenn der HR-Software-Anbieter also ein E-Book zur Work-Life-Balance herausgibt oder eine Studie zu den Einstellungen der Generation Y veröffentlicht, dann passt das hervorragend. Er etabliert sich damit als glaubwürdiger Personal-Experte, der die Situation der HR-Abteilungen versteht. Und er schafft einen Ausgangspunkt, um früher oder später über seine Lösung zu sprechen.